Endlich hat die legendäre Zahnradlok 97 501 die Zulassung zur Fahrt mit eigener Kraft auf dem DB-Netz erhalten – Grund genug für die Freunde der Zahnradbahn Honau – Lichtenstein in Reutlingen und die Schwäbische Alb-Bahn in Münsingen, am 29.09.2018 die Maschine mit einem Sonderzug für ihre zahl-reichen Liebhaber vom Ort ihrer Restaurierung zu dem des 15-jährigen SAB-Bestehens zu überführen. Bekanntlich (und bedauerlicherweise) konnte diese Fahrt nicht auf dem historisch vorgesehenen direkten Wege über die Zahnstangenstrecke zwischen Honau und Lichtenstein und weiter über Engstingen und die Alb-Hochfläche erfolgen, denn das ursprüngliche Ziel des Vereins, diese wieder in Betrieb zu nehmen, hat sich bis heute nicht realisieren lassen. Wenn man aber die Leidenschaft und das unglaubliche Durchhaltevermögen der Vereinsmitglieder, die sich in der 25-jährigen Arbeit der vorbildlichen betriebsfähigen Restaurierung der Maschine gegen schier unüberwindbare Widerstände zeigt, ansieht, will es einem nicht unmöglich erscheinen, dass sie auch das eines Tages noch schaffen.
In der Realität des Jahres 2018 war aber auch die jetzige Überführungsfahrt schon ein kleines Wunder, musste doch dazu zwischen Plochingen und Ulm eine der meistbefahrenen und zudem betrieblich anspruchsvollen Strecken im DB-Netz befahren werden. Verständlicherweise wollte und durfte man dabei kein unkalkulierbares Risiko eingehen und gab dem aus 8 „Donnerbüchsen“ und ehemaligen NebenbahnPersonenwagen gebildeten Zug zwei NE 81-Dieseltriebwagen der SAB bei. Wie sich die Dampflok und die beiden Diesel letzten Endes ihre Traktionsaufgabe teilten, bleibt das Geheimnis der Personale. Wenn man sie aber fahren ließ, bewältigten sie die Strecke bewundernswert und den technischen Möglichkeiten der Zahnradlok entsprechend flott. Wie der Schreiber dieser Zeilen von einem der Hauptverantwortlichen erfuhr, legte man bei der Restaurierung größten Wert auf bestes Material und vor allem eine zuverlässige Schmierung der kritischen Triebwerkskomponenten. So lief die 1922 bei der Maschinenfabrik Esslingen als erste von vier Einheiten der württ. Reihe Hz gebaute 97 501 störungsfrei über die Talstrecken von Neckar und Fils, vor allem aber auch die 22,5 ‰ geneigte Geislinger Steige hinauf.
Wenn dennoch der ursprüngliche Fahrplan nicht eingehalten werden konnte, lag das an der „Höheren Gewalt“ von der DB Netz AG: In Nürtingen gab es einen ersten langen Halt wegen einer Stellwerkstörung, und in Westerstetten auf der Albhochfläche musste der Sonderzug eine ganze Stunde wegen einer Reihe von durchfahrenden Reise- und Güterzügen beider Richtungen warten. Wohl aus Sicherheitsgründen hatte man ihn hier auf das Überholgleis auf der „falschen“, nämlich in Fahrtrichtung linken Seite dirigiert, so dass das Gegengleis gekreuzt werden musste. Das alles konnte aber die großartige Stimmung der Fahrgäste nicht trüben, wozu möglicherweise auch die umsichtige und freundliche Versorgung mit Speisen und Getränken durch die Ehrenamtlichen der SAB beitrug. Insbesondere deren sehr ansprechender, gut sortierter „Speisewagen“ (Maultaschen, diverse Snacks und Getränke, köstlicher Kuchen) erfreute sich regen Zuspruchs. Man darf zuversichtlich sein, dass durch diese Umsätze und die sehr gute Besetzung des Sonderzugs einiges Geld in den immer bedürftigen Vereinskassen angekommen ist.
97 501 des Vereins Zahnradbahn Honau – Lichtenstein nach dem Wasserfassen aus dem mitgeführten Tankwagen in Plochingen. Aufnahme: Peter Hartmann
Der Verfasser dieser Zeilen und vor allem Organisator Gerhard Schnaitmann haben mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, dass die zuständige Betriebsleitung der DB unseren Zug – anders als auf der Neckartalstrecke – entlang der Fils nonstop von Plochingen (wo die Wasservorräte aus dem mitgeführten Tankwagen ergänzt worden waren) bis Süßen durchlaufen ließ.
Geradezu begeistert waren dann wohl alle, als die Geislinger Steige ohne Probleme mit gleichbleibenden 40 km/h bewältigt wurde und erst in Westerstetten der oben erwähnte längere Überholungs- und Kreuzungshalt eingelegt werden musste. Wie angesichts des einmaligen Ereignisses nicht anders zu erwarten, säumten zahlreiche Fotografen und Filmer die Strecke – mit besonderer Häufung an der Steige, wo auch VFS-Vorstandsmitglied Roland Braun gesichtet wurde. Nach dem Eindruck des Verfassers genossen die Fahrtteilnehmer im Zug auf vielleicht noch intensivere Weise das Fahrterlebnis, und sie hatten das befrie-digende Gefühl, mit ihrem Fahrschein zur Erhaltung dieses technischen Kulturgutes beigetragen zu haben.
Mit neun weiteren Verkehrsfreunden verließ der Verfasser den Sonderzug um 17.52 Uhr in Ulm, um mit einem Sprint noch den IRE zu erreichen und somit früher als das Gros der Reisenden nach Stuttgart – und in das Getümmel von Volksfest und VfB-Heimspiel – zurückzukehren.
Der Sonderzug wechselte in Ulm die Fahrtrichtung und fuhr – nunmehr mit den beiden Triebwagen an der Spitze – ohne besondere Vorkommnisse in die Abenddämmerung hinein und erreichte nach rund einer Stunde Schelklingen, wo die Dampflok Wasser fasste und Triebwagen und Lok die Positionen tauschten.
Tender voraus, wie zu den Zeiten des durchgehenden Dampfbetriebs zwischen Schelklingen und Reut-lingen, ging es nun auf die bei Münsingen 705 m hohe Albhochfläche hinauf. 170 m Höhenunterschied und maximal 20 ‰ Steigung erforderten ähnliche Anstrengungen wie auf der Geislinger Steige. In Münsingen standen bereits mehrere Busse bereit, die denn auch unverzüglich nach Metzingen starteten, um die meisten Fahrtteilnehmer zum Zug Richtung Stuttgart zu bringen.
Die Eile war aber eigentlich unnötig, denn den erhofften Anschluss an den RE um 20.55 Uhr konnte man ohnehin nicht mehr erreichen. Die Teilnehmer, die schon während der ganzen Fahrt in bester Stimmung gewesen waren, nahmen es leicht und nutzten die dreiviertelstündige Wartezeit gut gelaunt zu Gesprä-chen und einem Glas im Bahnhofsbistro, um mit dem nächsten RE Stuttgart Hbf um 22.38 Uhr zu erreichen.
Es bleiben die Erinnerung an einen begeisternden Tag und Dank und Bewunderung für die Aktiven, die durch ihre Beharrlichkeit und ihren Enthusiasmus die Erhaltung dieser historischen Spitzentechnik ermöglicht haben. Besonderer Dank gilt Gerhard Schnaitmann, der seine guten Kontakte zur Schwäbischen Alb-Bahn hier für uns genutzt und uns die Teilnahme an dieser Fahrt vorgeschlagen hat!