18.06.2022 Besichtigung Ostendplatz

Rückblick von Rüdiger Frey


18.06.2022:   Straßenbahnwelt Ostendplatz einst und heute – Besichtigung der Originalschauplätze vor Ort mit Gerhard Schnaitmann


Fast 40 Teilnehmer ließen es sich am bis dato wärmsten Tag des Jahres nicht nehmen, an einer der drei von unserem Ehrenmitglied Gerhard Schnaitmann initiierten Führungen rund um den Ostendplatz teilzunehmen.


Man braucht schon etwas Fantasie, um sich vorzustellen, dass hier einst das Herz der Stuttgarter Straßenbahnen AG schlug. Von 1909 bis 1986 war hier einer der größten Betriebshöfe und bis 1971 auch die Hauptwerkstatt angesiedelt.


Mit Vergleichsfotos ausgerüstet, besuchten die Teilnehmer die einstigen „Schauplätze“ oder was noch davon übrig geblieben ist. Wo heute ein Supermarkt seine Ware anbietet, war einst die große Montagehalle incl. Schiebebühne, wo nicht nur Reparaturen oder Hauptuntersuchungen an Fahrzeugen durchgeführt wurden. Hier entstanden auch komplette Neufahrzeuge und dies nicht nur für die SSB. Hier erblickte nicht nur das „Rumpelstilzchen“ das Licht der Welt, welches noch heute seine Runden im SSB-Waldaupark dreht. Auch Beiwagen für die Straßenbahnen in Saarbrücken, Straßburg, Magdeburg oder auch Odense in Dänemark entstanden hier. Im November 1944 vernichtete ein Luftangriff in einer Nacht dieses ganze Treiben.


Schon Ende 1945 konnte die erste Halle wieder in Betrieb genommen werden. Damals wurde aber der Standort kontrovers diskutiert. Neben der zentralen Lage im Netz der SSB war die räumliche Enge schon zu dieser Zeit ein Problem. Man entschied sich schließlich doch, auf den alten Fundamenten wieder eine Hauptwerkstatt mit Betriebshof in vereinfachter Weise aufzubauen und kaufte noch angrenzende Grundstücke zur Erweiterung hinzu. Die für Zweiachser mit einer Länge von 12 Metern konzipierte Werkstatt war für die ab den 1950er-Jahren beschafften Gelenktriebwagen, insbesondere für die 350 GT4 mit 18 Metern Länge, nun nicht mehr geeignet. Diese mussten in den Betriebshöfen Bad Cannstatt, Vogelsang und Möhringen gewartet werden.


Auch die Ende der 1950er-Jahre erbaute zweistöckige Wagenhalle am Leo-Vetter-Bad wurde zunehmend als Werkstatt benutzt, um die räumliche Enge etwas abmildern zu können. Anfallende erst Hauptuntersuchungen und der Umbau auf schaffnerlosen Betrieb bei den GT4 wurden zur Waggonfabrik Rastatt verlegt. Ab 1959 wurde mit der Planung einer großzügigen Hauptwerkstatt in Stuttgart-Möhringen begonnen, welche dann 1971 in Betrieb ging. Einige Jahre später siedelte dann die Hauptverwaltung von den beengten Räumen in der Hauptstätter Straße, neben dem einstigen Betriebshof Marienplatz gelegen, ebenfalls um. Der Betriebshof mit Wagenhallen am Ostendplatz konnte sich dann noch bis 1986 halten und diente anschließend für einige Jahre zur Abstellung überzähliger Fahrzeuge.

 
Überraschend ist, dass doch noch viele Relikte aus vergangenen Zeiten zu entdecken sind. Auch Gleisreste zwischen der einstigen Endschleife Ostendstraße und der unteren Ausfahrt zur Landhausstraße waren zu finden. Viele Gebäude sind noch im Besitz der SSB. Mehrere Wagenhallen dienen aktuell anderen Aufgaben, wie als Lager für das Staatstheater. Doch ihre Tage sind gezählt. Das Areal soll neu überbaut werden. Trotz all den Spuren fiel es manchmal schwer, sich vorzustellen, dass sich an der Stelle von so manchem heutigem Bauwerk einst riesige Gleisanlagen befanden.


So war der kurzweilige Spaziergang mit Spurensuche sicher eine der letzten Gelegenheiten, um sich die einstigen Tätigkeiten auf diesem Gelände noch einigermaßen plastisch vorstellen zu können. Unser Dank gilt wieder einmal Gerhard Schnaitmann für die lebendige Darstellung des damaligen Treibens und des Lebens im Stuttgarter Osten!

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